Das Mahnmal

Auf dem Höhepunkt der „Asyl-Debatte“ Anfang der 1990er Jahre, verübten am 29. Mai 1993 vier jugendliche Täter aus dem rechtsextremen Milieu einen mörderischen Brandanschlag auf die Familie Genç. Fünf Mädchen und junge Frauen verloren in den Flammen ihr Leben, weitere Opfer wurden zum Teil schwer verletzt. Der „Solinger Brandanschlag“ wurde zum traurigsten und schlimmsten Kapitel der Solinger Nachkriegsgeschichte, das bis heute die Stadtgesellschaft prägt.

Kurz nach dem Anschlag initiierte und baute die Jugendhilfe-Werkstatt das „Solinger Mahnmal“ am Mildred-Scheel-Berufskolleg. Bis heute erinnert es an die fünf Opfer: Saime, Hülya und Hatice Genç, Gürsün İnce und Gülistan Öztürk. Zugleich wirbt es für Toleranz und Anerkennung und steht als Mahnung gegen Rassismus.

Einweihung des Mahnmals am 29. Mai 1994. Foto: Jugendhilfe-Werkstatt

Ein Mahnmal mitten in der Stadt zu errichten stieß kurz nach dem Anschlag bei der Mehrheit im Solinger Stadtrat und in der Stadtverwaltung auf wenig Gegenliebe und kaum Unterstützung. So schnell wie möglich zur Tagesordnung zurückkehren und dem Brandanschlag nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken war der Tenor, wohl aus Angst um das Ansehen der Stadt. So war es schwierig, überhaupt einen Standort zu finden.

Durch Unterstützung des damaligen Rektors des Mildred-Scheel-Berufskollegs, Frank Plümacher, konnte das Mahnmal auf dem Gelände der Schule an der Beethovenstraße errichtet werden. Das Berufskolleg kooperierte bereits seit Jahren mit der Jugendhilfe-Werkstatt. 

Die Namen der Opfer wurden direkt über der Tafel am Mahnmal angebracht. Foto: Daniela Tobias

Als Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement wurde das Mahnmal mit großer Unterstützung aus der Solinger Bürgerschaft errichtet. Unter großer Anteilnahme der Solinger Bevölkerung wurde es am 29. Mai 1994 anlässlich des ersten Jahrestages des Brandanschlags eingeweiht. Über 10.000 Menschen reichten in einer Menschenkette die fünf Ringe mit den Namen der Opfer vom ehemaligen Standort des Hauses der Familie Genç an der Unteren Wernerstraße bis zum Mahnmal am Mildred-Scheel-Berufskolleg.

Das Mahnmal entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem wichtigen Bestandteil der Solinger Erinnerungskultur, das inzwischen von Stadtrat, Stadtverwaltung und den Bürger:innen gleichermaßen getragen wird und weit über die Grenzen von Solingen als das „Solinger Mahnmal“ bekannt ist.

Durmus und Mevlüde Genc (Mitte) bei der Gedenkfeier 2016 am Mahnmal. Links: Norbert Schmelzer, damaliger Sprecher des Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage. Rechts: Anne Wehkamp, damalige Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums. Foto: Daniela Tobias

Das Solinger Mahnmal ist eines der wenigen lebendigen Mahnmäler, an dem alle Menschen mitwirken können. Es ist noch lange nicht „vollendet“ und noch heute können Menschen ihre Anteilnahme mit ihrem eigenen Ring bezeugen, den sie in der Jugendhilfe-Werkstatt mit ihrem Namen versehen. Um etwa 150 bis 200 Ringe jährlich wächst das Mahnmal kontinuierlich weiter. Jedes Jahr am 29. Mai finden hier die vom „Bündnis für Toleranz und Zivilcourage“ organisierten Gedenkfeiern statt.

Auch in seinem gestalterischen Konzept reagiert das Solinger Mahnmal auf aktuelle Entwicklungen: Ursprünglich waren Ziel und Wunsch, dass die Figurengruppe mit dem zerstörten Hakenkreuz vollständig mit Ringen bedeckt sein soll, wenn es eines Tages keinen Rassismus mehr gäbe. Dass dies in absehbarer Zeit eintreten würde, ist aus heutiger Sicht leider eine Illusion.

Aufgrund dem seit einigen Jahren wieder kontinuierlich zunehmenden Rassismus in unserem Land beschloss die Jugendhilfe-Werkstatt Anfang 2018, dass die Figuren mit dem zerstörten Hakenkreuz zur Mahnung weiterhin deutlich sichtbar bleiben sollen. Daher werden aktuell Ringe nur im unteren Bereich angeschweißt, während der obere Bereich frei bleibt.

Wenn Sie einen Ring mit Ihrem Namen für das Mahnmal prägen möchten, können Sie mit der „Jugendhilfe-Werkstatt“ einen Termin vereinbaren.

Zustand des Mahnmals 2022. Foto: Daniela Tobias

Anlässlich des 30. Jahrestages werden auf Wunsch der Familie Genç mehrsprachige Stelen mit den Namen und Gesichtern der Opfer neben dem Mahnmal installiert. Sie geben ihnen ihre Geschichte zurück, erzählen von dem Leben, aus dem sie herausgerissen wurden. Eine weitere Tafel erinnert an die 2022 verstorbene Mevlüde Genç. Sie setzte sich bereits kurz nach der schrecklichen Tat, bei der sie Töchter und Enkelinnen verlor, für Versöhnung und Freundschaft ein, um dem Hass keine Chance zu geben.

Im März 2023 wurde das Mahnmal in die Denkmalliste der Stadt Solingen aufgenommen, da an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen und stadtgeschichtlichen Gründen besteht.

Seit 2023 erinnern sechs Gedenktafeln an die Opfer des Anschlags. Foto: Daniela Tobias